Castelen bei Basel
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Klassische Archäologie
Griechische Geschichtsschreibung und Altvorderasien: Der Achämenidenhof
Das Thema «Der Achämenidenhof» gehört zu den grossen Schwerpunktthemen im Werk aller uns in grösserem Umfang überlieferten Historiker des 5. und 4. Jh. v. Chr., insbesondere in dem des Ktesias und Xenophons. Das wirkungsmächtige «Konzept Orient», das in jener Zeit entstand, hat im wesentlichen durch das seine Gestalt gewonnen, was jene Autoren über orientalisches Hofleben erfuhren, zu wissen glaubten – und gestalteten (vgl. H. Sancisi-Weerdenburg, Decadence in the Empire or Decadence in the Sources? From source to synthesis: Ctesias, Achaemenid History I [Leiden 1987] 43 f.; R. Bichler / R. Rollinger, Die Hängenden Gärten zu Ninive – Die Lösung eines Rätsels? R. Rollinger (Hrsg.), Von Sumer bis Homer, Festschrift für Manfred Schretter, AOAT 325 [Münster 2004] 202). Von grossem Einfluss auf die Gestaltung war offensichtlich eine Publikumserwartung, die die einzelnen Autoren zu bedienen suchten. So deutet sich an, dass die «Schwüle des Serails», die noch in jüngerer Zeit beschworen und im wesentlichen als historische Gegebenheit gewertet wurde, ein insbesondere von Ktesias genährter Topos ist, der mit der Realität wenig zu tun hat. Die Schilderungen verweichlichter, lenkbarer, zugleich aber geheimnisvoll distanzierter, geradezu entrückter Herrscher bedienten verbreitete Klischees, die über den mächtigen Nachbarn und militärischen Gegner bei den Griechen in Umlauf waren. Geschichten über blutrünstige Königsmütter, intrigante Herrschergattinnen und begehrliche Prinzessinnen bereicherten das Bild und befriedigten eine gewisse Sensationslust, wobei sie zugleich mit einem beim Publikum etablierten Verständnis der Geschlechterrollen kalkulierten, das das Berichtete sensationell erscheinen liess und ihm eine lange Lebensfähigkeit verlieh. Man darf in vielerlei Beziehung behaupten, dass uns das, was die griechischen Historiker berichten, mehr über ihr Publikum verrät als über den behandelten Vorgang oder Gegenstand.
Der für das geplante Kolloquium vorgesehene kontrastive Zugriff auf schriftliche und archäologische Primärquellen soll dazu dienen, jenes Orientbild und die dahinterstehenden historischen Realitäten genauer unterscheiden zu lernen. Die bisherigen Versuche, unser Geschichtsbild zu korrigieren, legten das Gewicht vor allem darauf, durch die Gegenüberstellung von griechischem historischen Bericht und anderen Evidenzen das vermittelte Bild kritisch zu betrachten, Imagination als solche zu entlarven, Rückprojektionen nachzuweisen, kurz alles zu entfernen, was literarische Zutat ist und was sonst berechtigtem Zweifel an der historischen Faktizität unterliegt. Durch dieses Vorgehen wird das Bild der ehemaligen Realitäten des Hoflebens zwar korrekter, verliert aber unweigerlich an Substanz.
Nun existiert eine Fülle von Informationen, die geeignet sind, diesen Verlust zu kompensieren, und dies ist neben den schriftlichen Primärquellen die archäologische Überlieferung. Mit der Bilderwelt, die die Skulpturenausstattung der Residenzen eröffnet, steht eine beredte Quelle für Selbstverständnis und Kommunikationsabsichten des Herrscherhauses zur Verfügung. Die Kleinkunst eröffnet über ihre Themen den Blick auf zahlreiche Aspekte höfischen Lebens, die die Grossplastik nicht thematisiert, spricht aber auch insofern für sich, als sie Tafelluxus, Geschenkwesen, Selbstdarstellung der höfischen Elite etc. illustriert. Diese Aspekte sind natürlich auch schon in der Vergangenheit immer wieder Gegenstand von Untersuchungen und Deutungen gewesen, doch steht ihre Interpretation unter den Vorzeichen jenes „bereinigten“ und im wesentlichen auch durch die schriftliche Primärüberlieferung geprägten Verständnisses von Herrschaftsideologie, der sozialen Gegebenheiten innerhalb der höfischen Gesellschaft und der religiösen Überzeugungen im Herrscherhaus selbst und bei breiteren Schichten noch in den Anfängen.
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