Tag 15–20 (17–22. März): Semna-Expedition
« Dann gibts Thee für unseren grossen Durst. – Es war für mich der erste Kamelritt und als solches novum voller Annehmlichkeit. »
–– Hermann Thiersch, Eintrag vom 17. März 1900
« Es ist als ob auf einmal eine Menge Steinkohlen in die Wüste geschüttet worden wären – so glänzend schwarz sind die Felsmassen, zwischen denen der Fluss hindurch muss. Dazu rauscht das grosse Wasser in den weissen Wirbeln laut wie in einem Strom in Deutschland und die oder der Schweiz. Nach Süden zu das ganze Land hügelig und zerrissen von kleinen Thälern: aber alles dunkelfarbig von Gestein und Gebüsch. Ganz im Süden isolierte Bergkuppen. Alles unägyptisch. Dann noch herrlicher Ritt in der Abendsonne durch die Wüste. aus ihren grossen Sandflächen ragen isolierte Felsberge hervor wie Inseln: sie haben prägnante Formen: wie Pyramiden mit u. ohne Knick, auch abgestumpfte, wie dicke kurze viereckige Türme und wie Stadtmauern und Häusergruppen. Die andern erkennen an dass ich seltenes Glück habe soviel vom Nilland zu di sehen. das passiert selbst wenigen Ägyptologen. »
–– Hermann Thiersch, Eintrag vom 17. März 1900
Die Expedition nach Semna, einer Grenzfestung 60 km südlich von Wadi Halfa, nimmt mehrere Tage auf Kamel in Anspruch. Zum Besuch dieser Stätte musste zu dieser Zeit aufgrund seiner südlichen Lage jeweils eine Erlaubnis bei der britischen Militärbehörde eingeholt werden, die nur ungern erteilt wurde. Der Ausflug ist somit auch für Ägyptologen eine Ausnahme. Die Gruppe reitet am zweiten Katarakt vorbei – auch Grosser Katarakt genannt –, welcher heute vom Stausee überflutet ist. Auch treffen die Teilnehmer in der Wüste auf Überreste der erst kürzlich ausgefochtenen Schlachten des britischen Ägyptens gegen den sudanesischen »Mahdi-Aufstand« (1881–1899). Am 21. März kommen die Forscher bei Semna an, wo der Tempel zwei Tage lang genau erfasst, und der Forschungsstand hinterfragt und erneuert wird.