Martin Allemann

Spätantike Befunde und Funde im Westteil des Basler Münsterhügels (Arbeitstitel)

Ausgangslage

In den letzten Jahren hat die Archäologie unsere Kenntnisse zur Spätantike am Ober- und Hochrhein stark vorangebracht, indem zahlreiche wichtige Fundstellen aus dieser Zeit ausgewertet und publiziert wurden (u.a. Augst, Biesheim, Mandeure, Breisach, Riegel). Bezüglich des späten 4. Jahrhunderts und der Kontinuitäten ins Frühmittelalter hat die deutschsprachige Forschung aber gegenüber der französischen etwas Nachhol-bedarf. Mit der Auswertung mehrerer spätantiker Befunde der Region stehen nun im Umfeld der Vindonissa-Professur weitere wichtige Schritte zum Verständnis der Spätantike am Hochrhein bevor (Dissertationsprojekte von A. Flückiger und S. Mayer). Viele Befunde des 4. Jahrhunderts sind aus knapp dokumentierten Altgrabungen bekannt; interdisziplinäre Auswertungen mit Archäozoologie, Archäobotanik, Geo-archäologie etc. sind bei diesen alten Untersuchungen oft kaum mehr möglich. Gerade die oft schwer zu erkennenden spätantik-frühmittelalterlichen Schichten (sog. dark earth) dürften damals selten erkannt worden sein. Da in der Archäologie der Spätantike die Münzdatierung zentral ist, wurde zudem auch die Keramik oftmals nicht so ausführlich ausgewertet, wie es nötig wäre, um Besiedlungskontinuitäten nach dem Ende der römischen Münzzufuhr um 400 n. Chr. fassen zu können: Nicht jede Siedlung, deren Münzkurve um 400 abbricht, wurde in diesem Moment auch aufgegeben, aber Schich-ten, die nach diesen Jahren abgelagert wurden, sind schwer zu erkennen und schwer zu datieren.Die Grabungen am Basler Münsterplatz 19 und in der Umgebung bieten nun die Ge-legenheit, anhand hervorragend dokumentierter modernen Untersuchungen einen zentralen Ausschnitt der spätantiken Überbauung des Basler Münsterhügels zu erfor-schen. Die Ausgrabung fand 2008-2010 anlässlich der Neugestaltung des Museums der Kulturen im Hof des sog. „Schürhofs“ statt und stand unter der Leitung von S. Strau-mann. Sie bietet einen differenzierten Einblick in einen zentralen Siedlungsabschnitt des spätantiken Münsterhügels. Zwar sind die antiken Befunde stark durch einen mittelalter-lichen Graben und neuzeitliche Gebäude und Leitungen gestört, aber die sehr detail-lierte Dokumentation und die recht gute Erkennbarkeit der spätrömischen Schichten erlauben es trotzdem, markante Schichten über die ganze Grabung und sogar in Altgrabungen der Umgebung zu verfolgen. 

Ziel

Das Dissertationsprojekt hat das Ziel, ausgehend von den Befunden aus den neueren Grabungen und unter Einbezug älterer Untersuchungen die spätantike Bebauung im Westen des Münsterhügels zu verstehen; der untersuchte Bereich entspricht heute ungefähr der Zone zwischen Augustinergasse, Stapfelberg und dem Schulhaus zur Mücke. Hier soll die Abfolge der verschiedenen grossen, wohl öffentlichen Gebäude er-schlossen werden, und auch die spätere Entwicklung des Areals wird im Auge behalten: Offenbar wurden die Bauten planmässig niedergelegt und ihr Baumaterial zur Wieder-verwertung geborgen. Es interessiert also nicht nur, wann und wozu diese Hallenbauten angelegt, sondern auch, wann und warum sie aufgegeben wurden. Die Untersuchung dieser Vorgänge, die sich auch in benachbarten Altgrabungen beobachten lassen, soll es erlauben, die Besiedlungsgeschichte des Basler Münsterhügels an der Schwelle von der römischen Epoche zum Frühmittelalter besser zu begreifen. Aufbauend auf die Arbeit von M. Asal soll die Besiedlungsdynamik des Münsterhügels erschlossen und die Resultate über die Stadtgeschichte hinaus auch in einen regionalen historischen Rah-men gesetzt werden. Ein besonderes Interesse kommt dabei der Zentrumsfunktion der spätantiken befestigten Siedlung und deren Kontinuität über das 4. Jahrhundert hinaus zu. Zur Frage danach, wann Basel das Castrum Rauracense als regionales Zentrum und als Bischofssitz ablöste, können die grossen Bauten auf dem Basler Münsterhügel wichtige Hinweise liefern. Nicht nur die Befunde, auch die Funde sollten eine bessere Einordnung Basilias in die spätantik-frühmittelalterliche Besiedlungsdynamik der Region erlauben: Nebst den zahlreichen gestempelten Ziegeln der Kaiseraugster Legio I Martia ist auch viel Gefässkeramik vorhanden, die es erlauben könnte, die Intensität der Orientierung nach Kaiseraugst oder eher ins Elsass einzuschätzen.

Vorgehen

Das Hauptaugenmerk der Auswertung gilt daher ausdrücklich den spätantiken und –falls vorhanden - frühmittelalterlichen Befunden, nicht zuletzt dem bekannten Grossbau, des-sen traditionelle Deutung als Getreidespeicher neulich S. Straumann mit guten Argu-menten angezweifelt hat. Dabei sollen ausgehend von den neueren Grabungen zu-nächst die markantesten Schichten und Ereignisse stratigraphisch und chronologisch gefasst werden; in einer zweiten Phase wird versucht, sie auch in benachbarten Alt-grabungen zu fassen und diese so mit den neuen chronologischen Erkenntnissen zu verknüpfen. Die sehr hochauflösende Dokumentation der neuen Grabungen erfordert zunächst ein intensives Einarbeiten in die Befunde.  Wenn dann Horizonte und Schlüsselensembles definiert sind, können, parallel zur Auswertung der Funde, numismatische und naturwissenschaftliche Untersuchungen die Aussagemöglichkeiten erheblich erweitern. Interessant wären (Stand Oktober 2013) mikromorphologische Untersuchungen eines vermuteten Mörtelbodens, von Lehm-planien und dark earth; weiter Analysen von Mauersteinen und –Mörteln (zwecks Herkunftsbestimmung und Datierung); manche Befunde liefern auch interessante Tierknochenspektren, deren Auswertung neben zoologischen auch taphonomische und damit siedlungsgeschichtliche Einsichten verspricht. Die Numismatik ist für eine differen-zierte Datierung spätantiker Bauten unenbehrlich; gerade zu Kontinuitätsfragen sind aber auch die Gefässkeramikfunde zentral. Der spätrömischen und frühmittelalterlichen Keramik ist in den letzten Jahren am Oberrhein wieder vermehrtes Interesse zugekom-men, so dass der Austausch mit Süddeutschland und Ostfrankreich sehr wichtig ist.  Insbesondere bei der Gefässkeramik ergeben sich auch Anknüpfungspunkte und mögliche Synergien mit anderen Dissertationen (A. Flückiger, S. Mayer), die parallel an der Vindonissa-Professur laufen.       Die Synthese schliesslich wird sich einerseits der Funktion der Bauten widmen, anderer-seits auch versuchen, die Entwicklung Basilias von der Spätantike ins Frühmittelalter in einem regionalen Kontext zu verstehen.  

ungefährer Zeitplan

bis Ende 2013:  Aufarbeiten & Korrelieren der Befunde in den neuen Grabungenab Frühling 2014:  Bearbeitung der Funde aus Schlüsselensembles zur Datierung, parallel dazu Untersuchungen der Nachbarwissenschaftenab Herbst 2014:  Aufarbeiten ausgewählter Altgrabungen der Umgebungab Frühling 2015:  Synthese, Einordnen in den historischen Kontextab Mitte 2015:  endgültige Redaktion 

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