Güleser Aydin
Kult der Aphrodite in Kleinasien
Die antiken Gottheiten und die mit ihnen verbundenen Kulte, Priesterschaften, Rituale und Festspiele, bildeten nicht nur einen wichtigen Teil der damaligen Kultur, sondern auch eine Hauptquelle kreativer Inspiration etwa für die Chorlyrik, die bildenden Künste sowie das Bauwesen. Insbesondere die Griechen und Römer verehrten eine Vielzahl von Gottheiten und eine unter diesen war die Göttin der erotischen Liebe, Sexualität und Schönheit: Aphrodite. Der mythologischen Tradition nach gehörte sie zum Kreis der im Olymp residierenden sogenannten „Zwölfgottheiten“ und hatte damit immense Autorität. Ihre universelle Bedeutung wurde in vielen verschiedenen Kulten im gesamten Mittelmeerraum verehrt. Die Interpretation und das Konzept der Aphrodite wurden von ihrer ikonographischen Darstellung in Mythos, Literatur und Kunst stark beeinflusst.
In einem einleitenden Teil des Dissertationsprojekts soll zunächst Aphrodite in ihren mythologisch-literarischen Erscheinungsbildern erfasst und definiert werden. Das Zusammentragen mythographischer Überlieferungsstränge soll im Zuge der Untersuchung zu einem tieferen Verständnis bezüglich des Kultes um die Göttin verhelfen.
Dass die Göttin Aphrodite auf der lokalen und überregionalen Ebene eine wichtig kultische Rolle noch während der römischen Kaiserzeit spielte, zeigen zahlreiche Darstellungen römischer Kaiserinnen mit Attributen der Göttin, oder gar als Verkörperungen der Gottheit selbst. Viele solcher Zeugnisse der plastischen Kunst, Numismatik und Epigraphik stammen aus Kultstätten in Kleinasien. Inwieweit Aphrodite auch eine relevante „politische“ Bedeutung (z.B. als Staats-und Schwurgöttin) für die Herrschaftslegitimität und Herrschaftsrepräsentation lokaler Eliten und des Kaiserhauses, besonders in Kleinasien, einnahm, soll im Hauptteil des Dissertationsprojekts erarbeitet, analysiert und erläutert werden. Denn Aphrodite scheint weitaus mehr als eine Gottheit sexueller Lust, Fruchtbarkeit und Liebe verstanden worden zu sein. Sie spielte auch eine Rolle im Militärwesen und wurde in hellenistischer Zeit als Schutzgöttin der Seefahrt und Flotten im Mittelmeerraum verehrt, wie etwa auf Zypern am Kap Zephyrion. Um Aphrodites genaue Bedeutung für Herrschaftssysteme im Verlauf der Dissertation nachweisen zu können, besteht die Hauptanalyse darin, insbesondere die Epigraphik in Kleinasien bezüglich der Aphrodite-Kulte zu untersuchen, um Parallelen hinsichtlich der geographischen Verbreitung, der Kultrituale und ihre Einbindung in die Herrschaftsrepräsentation aufzeigen zu können.
Um die These der herrschaftspolitischen Bedeutung der Aphrodite-Kulte im anatolisch- griechischen Osten zu untermauern, soll im weiteren Verlauf des Projekts durch präzise Katalogisierung der kleinasiatischen Kultstätten während der römischen Kaiserzeit (1. – 3. Jahrhundert n.Chr.) analysiert werden, inwieweit und wo der Kult der Göttin in diesem Raum verbreitet war und welchen Stellenwert diese im politischen und religiösen Herrschaftsverständnis einnahm, etwa im Zusammenhang mit dem sogenannten Kaiserkult. Das Ziel besteht darin, ikonographische Darstellungen zu vergleichen, sowie kultisch relevante Ehren- und Weihinschriften in Bezug auf die besonderen Verehrungskontexte Aphrodites zu untersuchen, um die spezifische herrschaftspolitische Bedeutung des Aphrodite-Kultes im kaiserzeitlichen Kleinasien nachzeichnen zu können.