Projektbeschreibung

Projektleitung: Prof. Henriette Harich-Schwarzbauer (gefördert vom Schweizerischen Nationalfonds; Laufzeit: 3 Jahre; Beginn: 1. Januar 2019)

Das Projekt Muse – Musse – Musseraum untersucht anhand von drei historisch sowie literarisch bedeutsamen Autoren, wie sich ein ‚Bruch’ in ihrem literarischen Werk je unterschiedlich niederschlägt. Mit Ausonius, Sidonius Apollinaris und Enea Silvio Piccolomini werden drei Autoren – der Spätantike und des Humanismus – ausgewählt, die aus politischen respektive religiösen Motiven einen biographischen ‚Bruch’ signalisieren und ihr literarisches Werk entsprechend (re-)formulieren. Für die Werkanalyse der besagten Autoren wird in Muse – Musse – Musseraum für ein Vorgehen votiert, das die Genannten unter dem Arbeitsbegriff ‚Autorenprofil’ sowohl in einem spezifischen literarischen und sozio-historischen Setting betrachtet. Dabei sollen Vorgaben einer biographistisch argumentierenden Forschung hinterfragt werden. Untersucht wird, wie programmatische Statements – bevorzugte Orte sind dabei Paratexte – im Werk bzw. in Werkteilen ausagiert, aber auch unterlaufen werden.  Das literarische Œuvre, das als Musseraum definiert wird, wurde, so die Prämisse, von den drei ausgewählten Autor selbst und gezielt gestaltet.

Im Projekt Muse – Musse – Musseraum werden Instanzen der Literaturproduktion und wird der literarische Aktionsrahmen der drei Autoren betrachtet, wobei letzterer, der Musseraum, als poetischer Raum begriffen wird. Die im Titel angelegte Klimax ist insofern von Bedeutung, als ein ins Werk eingeschriebener ‚Bruch‘ über diesen Musseraum sichtbar gemacht, in seinen Spielarten begriffen und so auf Symptome einer Werkpolitik untersucht werden soll.

Für das Forschungsprojekt ist die Wahl der besagten Autoren zentral. Alle drei sind Christen, wobei Christsein für jeden von ihnen aufgrund ihrer Lebenszeit, ihrer Lebensumstände, ihres kulturellen Kontexts und ihrer Positionierung gegenüber der (paganen) literarischen Tradition jeweils anderes impliziert. Das Forschungsvorhaben wirft ein Licht auf die Zeitspanne vom ausgehenden vierten Jahrhundert (Ausonius) ins spätere fünfte Jahrhundert (Sidonius Apollinaris), auf eine Periode der institutionellen und kulturellen Festigung des Christentums. Für das 15. Jahrhundert fiel die Wahl auf Enea Silvio Piccolomini, poeta laureatus in einer höfischen Kultur, Konzilssekretär und schliesslich Papst. Die Entscheidung für diese drei exemplarischen Autoren will zu grundsätzlichen Aussagen über die Autoren, aber auch über die betreffenden Epochen führen. Dabei geht es darum, ein differenziertes Bild von Schreibstrategien und Werkkonfigurationen von Autoren der Spätantike und des Humanismus zu gewinnen, welche revisionistische literarische Praktiken eines Cicero, eines Ovid, später eines Augustinus oder auch eines Petrarca – um nur die wichtigsten Vorbildautoren zu nennen – zweifellos kannten und für ihre eigenen Ansprüche je unterschiedlich weiterverfolgten.  Mit dem hier gewählten spezifischen, in der Forschung weniger beachteten Fokus Spätantike – Humanismus, der gegenüber dem Fokus ‚Klassische‘ Antike – Humanismus weniger untersucht ist, intendiert das Projekt, einen substantiellen Mehrwert zu generieren. Der Anschluss an Forschungsthemen zu aktuellen Fragen in den Literaturwissenschaften und den Geschichtswissenschaften ist bestens gegeben. Nicht weniger Gewinn wird für sozial- und kulturwissenschaftliche Forschungen erwartet, zumal die Studie epochenübergreifend strukturiert ist und auch vergleichende Aspekte berücksichtigen wird.

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Die Werke des Ausonius sind zahlreich und verschieden. Inwiefern sind sie, mit ihren Paratexten, ihren Anspielungen und Querverweisen aber auch ein Werk? Für wen sind sie das womöglich und welche Bedeutung kommt hierbei dem Autor zu, der seine Biographie und seine kulturelle Autorität immer wieder zum literarischen Gegenstand macht?

Diese Fragen betreffen in einem engeren Sinne den Rhetorikprofessor, Politiker und Dichter Ausonius, der für uns aus (literatur-)historischen Gründen interessant ist. In einem weiteren Sinne betreffen sie jedoch auch das Phänomen, wie spät- und nachantike Autoren sich selbst in einer literarischen Epoche und in einem bestimmten kulturellen Spatium wahrnehmen bzw. ihr Werk offen oder verdeckt demgemäss zu strukturieren scheinen. Das ist gerade die Frage nach dem Musseraum, einem Raum, der, sozusagen, durch die Vektoren des historischen settings, der literarischen Fiktion und Struktur sowie der Rezeption aufgespannt wird.

Für Ausonius muss dies ausgehend von den Stilen und Gattungen untersucht werden, denen er sich zuwendet und die er neu formuliert.

 

Projekt von Dr. Markus Kersten

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Im Fokus des Vorhabens stehen die Carmina des gallo-römischen spätantiken Autors Sidonius Apollinaris, dessen schriftstellerisches Werk weniger von christlichem Gedankenals vielmehr von paganem Bildungsgut geprägt ist. Die Gedichte sind öffentlich und in hochpolitischem Kontext situiert, insofern es sich um Panegyrici auf römische Kaiser handelt. Wenn der Autor antike Mythen verwendet, um römische Herrscher zu lobpreisen, handelt es sich also keineswegs um heimlich ausgelebte pagane Nostalgie, sondern um einen bewusst demonstrativen Umgang mit antiken literarischen Vorbildern.

Ziel dieses Dissertationsprojektes ist die Analyse der von Sidonius in die Carmina eingelegten Mythen-Exempla bezüglich der Frage, inwiefern antikes mythologisches Inventar und pagane Götter in den christlichen Kontext passen und ob es sich dabei um eine unpassende Einlage handelt, die neben christlichem Bildungsgut als poetisches Material zur Verfügung steht, oder ob es als konstitutiv für das poetische Konzept des Sidonius zu bewerten ist. Dabei soll auch geklärt werden, ob sich Sidonius vollkommen auf paganes Gedankengut beschränkt oder ob er subkutan auch christliche Themen verhandelt. Es erweist sich für die Forschung zudem als lohnenswert, den Fragen nach Intertextualität, Varianz und Transformation umfangreicher nachzugehen: Bis zu welchem Grad handelt es sich bei den mythologischen Einlagen überhaupt um ein literarisches Spiel und inwieweit sind sie ernsthafte Rückgriffe auf literarische Vorbilder? Wie sieht Sidonius’ literarischer Umgang mit diesen Vorbildern aus? Was und wie rezipiert er, wie verarbeitet er das Material und macht es für seinen Kontext nutzbar?

 

Dissertationsprojekt von MA Ann-Kathrin Stähle

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Das poetische Œuvre des Enea Silvio Piccolomini steht im Schatten seines umfangreichen und wirkungsmächtigen Prosawerkes und hat nur selten die Aufmerksamkeit der Interpreten geweckt. Im Gegensatz dazu scheint der Titel des poeta dem Autor bei der Konstituierung seines «Autorprofils» besonders wichtig gewesen zu sein und muss daher ernstgenommen werden.

Im Projekt soll der Frage nachgegangen werden, wie es einem jungen Mann in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts gelingen konnte, sich als Dichter zu konstituieren. Dabei wird nicht nur unter einer literaturwissenschaftlichen Perspektive zu untersuchen sein, an welchen literarischen Modellen und Traditionen sich der junge Dichter orientiert und welche literarischen Gattungen er bedient, sondern auch unter einem kulturwissenschaftlichen Blickwinkel zu beleuchten sein, wie er sein eigenes Werk konzipiert, welche programmatischen Aussagen er macht, wie er sich über ein soziales Netzwerk definiert, wie er in seinem Werk Musseräume erschafft, welche biographischen Narrative er bedient und welche apologetischen Strategien er verfolgt.

 

Projekt von Dr. Christian Guerra

Projektleitung

Projektteam

Kontakt

Alexandra Giannotta

Projekthilfsassistentin

Bildnachweis:
Musenmosaik aus der Neustrasse, Trier, RLM, Inv. 1941,1520 (Ausschnitt, bearbeitet)
© GDKE/Rheinisches Landesmuseum Trier, Foto: Th. Zühmer http://www.landesmuseum-trier.de