Thematischer Exkurs: Die Nubische Bevölkerung im Jahre 1900
Während die Exkursion den antiken Festungen, Tempeln und Gräbern gewidmet ist, schreibt Thiersch auch gerne über die zeitgenössische Landschaft und die nubischen Einwohner, welchen die Gruppe in den verschiedenen Ortschaften begegnet. Regelmässig beschreibt Thiersch (sichtlich ohne grosses Hintergrundwissen) kulturelle Bräuche und Eigenheiten, wie er sie auf der Nilreise wahrnimmt, und kommentiert das Aussehen der Menschen. Speziell freuen sich die Forscher über Reststücke von Altertümlichem im Alltag des 19. Jhs., etwa "altägyptische" Perücken, Architektur oder Landwirtschaft.
« Vor dem Tempel [in Derr] sammeln sich eine grosse Kinder und Frauenschaar, die fortwährend «Bakschisch, ja Chawaga (Herr)! Ana meskin! (Ich bin arm)» schreien. einige hübsche Figuren und Gesichter. aber auch schon viel Negerblut vom Sudan her. Interessante Haartracht der Frauen: Simpelfransen mit langen gelben Troddeln. in der Mitte der Stirne an einem schmalen Scheitelzopf ein rundes oder dreieckiges Metallbehäng. Jungen mit dickem weissem Kopfumschlag. »
–– Hermann Thiersch, Eintrag vom 12. März 1900
« 12–15 Jungen vom nächsten Dorf sind da und umdrängen uns. lauter nette freundliche Kinder, besonders einer intelligent mit grossen schnellen und doch sanften Augen in feinem Gesicht. Schäfer u. Steindorff lassen sich die nubischen Zahlwörter und andere Vokabeln sagen. Dann tanzen sie uns vor und spielen das Spiel mit den 4 Palmstäbchen. Grosse Freude über das abschnurrende Messband. »
–– Hermann Thiersch, Eintrag vom 12. April 1900
Thiersch beschreibt nebst Interaktionen mit der Lokalbevölkerung in den besuchten Orten auch den Umgang mit dem nubischen Personal an Bord. Drei der Exkursionsteilnehmer haben auf der Reise einen persönlichen Diener dabei: Steindorff nimmt Senussi, Grünau nimmt Abdallah, und Borchardt nimmt Chalil mit. Hinzu kommen ein Koch, Mohammed, und sein Küchenjunge, sowie die dreiköpfige Schiffsbesatzung (von welcher nur der Schiffsjunge Faddi mit Namen erwähnt wird).
« Der Reis lenkt das Schiff ans andre Ufer nach Tomas, wo einer unserer Schiffsleute, der schwarze Faddi, über Nacht in seine Heimat gegangen war. »
–– Hermann Thiersch, Eintrag vom 13. März 1900
« In der Früh waren wir bei Ermenna vorbeigekommen: Chalils (Borchardts Diener) Heimatsort. Er wäre gerne an Land gegangen, doch war der Wind jetzt gerade so günstig, dass dies nicht anging, darum die Fahrt zu unterbrechen. So rufen denn die Schiffsleute alle zum Ufer hinüber, der Chalil-Abuli sei an Bord und werde auf der Rückreise auf einige Tage nach hause kommen. Grosse Aufregung darob bei den Leuten auf dem Feld. »
–– Hermann Thiersch, Eintrag vom 14. März 1900
« Da wir bis Ermenneh kommen wollen, wo unser Diener Chalil wieder an Bord kommen soll, rudern die Leute noch bis 11h abends weiter und erreichen das gesteckte Ziel. [...] Sobald Chalil an Bord gekommen, fahren wir wieder los. Er bringt 14 Hühner mit, was wirklich sehr viel heisst in diesem armen Land, wo die Reichen deren 2 besitzen und nicht hergeben. Am Ufer folgen noch ein grosses Stück seine Mutter und noch fünf Frauen und seine Brüder. Sie sind still vor Trauer wie auch er. Seit seiner Kindheit nicht zu hause gewesen. »
–– Hermann Thiersch, Eintrag vom 1. & 2. April 1900
Einige der Diener unterstützen die Expeditionsteilnehmer auch bei der Forschung: sie helfen mit Abklatschen von Inschriften, spenden Nachts Laternenlicht und während dem Tag Schatten, und unterstützen die Überwachung von spontanen Ausgrabungen.
« Faddil, der gutmütige Neger, den wir mitgenommen hatten zum Tragen des Gepäcks, soll mir Schatten aufs Papier werfen, da wir mitten in der glühenden Sonne sitzen. Er beugt sich also mit seinem schwarzen Kopf weit vor und hält, da dieser noch nicht genug Schatten spendet, noch seine gespreizten grossen Hände an die Ohren, bis ihn Schäfer unterweist mit seinem weiten Kleid mehr zu erreichen. »
–– Hermann Thiersch, Eintrag vom 9. April 1900