Siptah KV 47: Die Anlage

Das Grab KV 47, das im westlichen Teil des sogenannten Osttales liegt, war die letzte Ruhestätte des zweitletzten Königs der 19. Dynastie namens Siptah (1198-1194 v.Chr.). Es wurde 1905 von Edward R. Ayrton entdeckt und teilweise vom Schutt befreit. 1912 räumte Harry Burton dann die Sarkophaghalle; dabei kam der grosse Sarkophag zum Vorschein. In diesem Zustand ist das Grab mit mehreren Korridoren und Räumen von insgesamt 100 m Länge (Abb. 2) bisher geblieben.

Abb. 1: Eingang zu KV 47

Abb. 1: Eingang zu KV 47

Abb. 2: Plan

Abb. 2: Plan

In den Korridoren B und C ist die Dekoration fast vollständig erhalten und besonders farbfrisch, wie Abb. 3 mit Pharao Siptah vor dem falkenköpfigen Sonnengott Re-Harachte zeigt.
Ab Korridor D ist die Wanddekoration mehrheitlich zerstört (Abb. 4).
Im unteren Teil des Grabes (Korridore G und H, Vorhalle I und Raum J1) sind die Decken gewölbeförmig ausgebrochen (Abb. 5 mit Bezeichnung der originalen Deckenhöhe).

Abb. 3: Eingangsszene in Korridor B

Abb. 3: Eingangsszene in Korridor B

Abb. 4: Fragment der 4. Stunde des Amduat in Korridor D

Abb. 4: Fragment der 4. Stunde des Amduat in Korridor D

Abb. 5: Blick in den unteren Teil der Grabanlage

Abb. 5: Blick in den unteren Teil der Grabanlage

Die ungewöhnliche Länge des zweiten Teils des Grabes ist nicht nur durch das Vorhandensein von zwei Korridoren im unteren Teil des Grabes verursacht – das kommt auch bei anderen ramessidischen Gräbern vor –, sondern v.a. durch einen zusätzlichen Raum. Wer sich in ramessidischen Königsgräbern auskennt, erwartet ja, nach dem Korridor H und einem Vorraum I die Sarkophaghalle zu betreten. Es folgt aber ein länglicher Raum, der etwas breiter ist als die Korridore und dominiert wird von einem Loch in ca. 2 m Höhe in der linken Wand (Abb. 6). Dieses bildet einen Durchbruch zu dem Grab KV 32. Bei der Anlage des Grabes Siptahs wurde das bereits bestehende Grab KV 32 angeschnitten. Das undekorierte Grab KV 32, das bisher keinem Besitzer/keiner Besitzerin zugeschrieben werden konnte, kann unsere Ausgrabungen einer Königin der 18. Dynastie zugeordnet werden: der Gemahlin Amenophis' II., Tiaa. Durch diesen Planungsfehler entstand der unvorhergesehene Raum J1, an dessen Stelle eigentlich die breite Sarkophaghalle entstehen sollte. Diese wurde dahinter angelegt, konnte aber nicht rechtzeitig vor dem Tode Siptahs fertiggestellt werden.

Der Raum J1 weist Reste von Dekoration auf. Sie waren teilweise von anklebenden Schuttresten verdeckt, die zuerst entfernt werden mussten. Es handelt sich um den sechsten und siebten Abschnitt des Unterweltsbuches Amduat. Abb. 7 zeigt den Zustand nach der Reinigung und der Konsolidierung der Wände.

Die Sarkophaghalle (J2) ist unfertig geblieben. Es fehlt die hintere Pfeilerreihe. Nur die vordere Reihe von vier Pfeilern, die Wandbänke auf drei Seiten und das Deckengewölbe in der Querachse sind fertig. Die vier vorhandenen Pfeiler sind allerdings nur noch in Resten vorhanden.
Die Sarkophaghalle wird von dem monumentalen Sarkophag aus Granit dominiert. Die Wanne ist mit Szenen dekoriert, die mit dem sogenannten Buch von der Erde verwandt sind. Auf der Oberseite des Deckels liegt die halbplastische Figur des Königs Siptah, zu beiden Seiten beschützt von den Göttinnen Isis und Nephthys.

Abb. 6: Durchbruch zu KV 32 in Raum J1

Abb. 6: Durchbruch zu KV 32 in Raum J1

Abb. 7: Wandpartie in Raum J1 nach der Reinigung

Abb. 7: Wandpartie in Raum J1 nach der Reinigung

Abb. 8: Grabung in der Sarkophaghalle

Abb. 8: Grabung in der Sarkophaghalle

Im Frühjahr 2004 wurde der moderne Fussboden im unteren Teil des Grabes vorübergehend entfernt, um den restlichen Schutt abzutragen und die Dokumentation zu vervollständigen. Dabei kamen weitere Objekte der Grabausstattung Siptahs zutage, darunter mehrere kleine Fragmente des Granitsarkophages (Abb. 8).

Während der Kampagne 2001/2002 wurde mit der Ausgrabung des Schutts ausserhalb des  Grabes begonnen, der gegenüber dem Eingang deponiert war (Abb. 9). Die Höhe der Schuttschicht Betrug in diesem Bereich bis zu 5 m. Hier wurden spärliche Reste eines Arbeitercamps der 19. Dynastie entdeckt. Vgl. Arbeiterhütten.
2004/05 wurde ein Areal ausserhalb des Grabes, östlich des Eingangs, ca. 3 m tief bis auf den anstehenden Fels ausgegraben. Nebst viel Keramik fanden sich Bruchstücke von Sarkophagen, deren Herkunft noch unklar ist, sowie Gegenstände, die zur Grabausstattung Tiaas (siehe unten) und Siptahs gehören.
Schon bei der Entdeckung des Grabes fanden sich im Schutt noch Reste der königlichen Grabausstattung, darunter zahlreiche ganze oder fragmentarische Uschebti sowie eine Anzahl von Krugdeckeln, die sich heute mehrheitlich im Metropolitan Museum of Art New York befinden. Durch die MISR-Grabungen sowohl im Grab als auch im Aussenareal kamen noch weitere vergleichbare Objekte hinzu. Einige der gefundenen Objekte liessen sich aus an ganz unterschiedlichen Orten gefundenen Teilen wieder zusammen setzen, wie das Beispiel eines besonders schönen und grossen Uschebtis aus Kalzit-Alabaster des Königs Siptah zeigt (Abb. 10).

Abb. 9: Grabung vor dem Eingang von KV 47

Abb. 9: Grabung vor dem Eingang von KV 47

 Abb. 10: Uschebti Siptahs

Abb. 10: Uschebti Siptahs

Zum Dekorationsprogramm

Abb. 11: Eingangsarchitrav

Abb. 11: Eingangsarchitrav

Nicht nur die Lage und architektonische Planung eines Königsgrabes folgte einem sorgfältig ausgearbeiteten Konzept, sondern auch die Auswahl und der Anbringungsort der einzelnen Dekorationselemente. Dabei spiegeln sich die königlichen Jenseitsvorstellungen und deren symbolische Ausgestaltung in der Grabanlage wider.
Neben königlichen Unterweltstexten erscheinen diverse Götterszenen sowie je nachdem noch Auszüge aus dem Totenbuch. Die Dekoration des Grabes von Siptah gliedert sich entsprechend in folgende Elemente:

  • Götterszenen: Architrav-Szene über dem Eingang (Abb. 11), Maat-Szenen in den Türdurchgängen von Korridor A zu B und C zu D (Abb. 12), König vor Re-Harachte in Korridor B links(Abb. 3) mit folgender Anfangsszene der Sonnenlitanei, schreitende Figuren in Schachtraum E, Osiris-Schrein über dem Abgang aus der 1. Pfeilerhalle.
  • Unterweltstexte: Auszüge aus der Sonnenlitanei in Korridor B und C, Auszüge der 1. bis 3. Stunde des Amduat in Korridor C und - sehr fragmentarisch - der 4. und 5. Stunde des Amduat in Korridor D, Fragmente der 6. und 7. Std. des Amduat im letzten Korridor vor der Sarkophaghalle (J1), zu erschliessendes Pfortenbuch (wohl 5. und 6. Stunde) mit Resten des Osiris-Schreines und eines Fragmentes des Sandstreifens als obere Wandbegrenzung in der 1. Pfeilerhalle.
  • Totenbuch: Spruch 151 in zweifacher Ausführung am Ende von Korridor C.

Dazu kommen noch Titulaturzeilen (an Türpfosten, -laibungen und Decke in Korridor B), Deckendekorationen (Flügelwesen in Korridor B [Abb. 11], Sonnenlitanei-Texte in Korridor C, Reste einer Sternendecke in Korridor D) sowie Darstellungen der Flügelsonne über den Türdurchgängen. All diese Dekorationselemente haben einen konkreten Bezug zu ihrem Anbringungsort im Grab. Allgemein lässt sich sagen, dass die königliche Grabanlage des Neuen Reiches durch ihre Architektur, Beschriftung und Bebilderung für die Bereiche der Unterwelt steht, die es im Analogieschluss mit dem täglichen Sonnenlauf zyklisch zu durchqueren gilt. Der Sonnenlauf und damit das nächtliche Schicksal des Sonnengottes werden hier architektonisch und ikonographisch sichtbar gemacht. Wie bei einer in unvergänglichen Stein gehauenen Uhr rollen sich dabei die zwölf Stunden der Nacht ab, allerdings sozusagen im Gegenuhrzeigersinn, indem sich der gealterte Sonnengott (beim Untergang im Westen) im Verlaufe der Nacht verjüngt und am Morgen (beim Aufgang im Osten) mit neuer Kraft wiedergeboren wird. Durch die Verbindung des verstorbenen Königs mit dem Sonnengott wird dieser hineingenommen in den ewigen Zyklus nach dem allgegenwärtigen Vorbild der Natur, während gleichzeitig auch der uralte Topos des zu Osiris gewordenen und postum wiederbelebten Toten gegenwärtig ist.
Diese beiden grundlegenden Jenseitsvorstellungen bilden die wichtigste Grundlage für den Motivschatz der Grabdekoration. In der angestrebten Einswerdung von Re und Osiris, analog der auch von Privatleuten etwa im Totenbuch erhofften nächtlichen Vereinigung von frei beweglichem Ba und starrem Leichnam, verbindet sich der solare Aspekt der Erneuerung mit dem osirianischen Aspekt des Schutzes und der Wiederbelebung.
Durch die Dekorierung des Grabes mit den entsprechenden Texten aus den verschiedenen Unterweltsbüchern wird dem König der nötige Wissensvorrat mitgegeben (über die Wege, Stätten, Tore, Namen, Dämonen, Sprüche etc.), der ihn zu einem Ach-iqer, also einem trefflich ausgestatteten Ahnengeist machen und gleichzeitig den positiven Ausgang der nächtlichen Regeneration durch die Anbringung in Text und Bild magisch vorahmt.

Abb. 12: Die Göttin Maat

Abb. 12: Die Göttin Maat

Abb. 13: Decke in Korridor B

Abb. 13: Decke in Korridor B

Abb. 14: Totenbuch

Abb. 14: Totenbuch

Nebst den königlichen Unterweltstexten (Sonnenlitanei, Amduat, Pfortenbuch) treten auch eine ganze Reihe von anderen bildlichen Motiven auf, die den König im Kontakt mit der Götterwelt zeigen. Der Pharao tritt vor die verschiedenen Gottheiten und erhält Schutz und Leben und überreicht seinerseits Gaben an die Götter. Durch diesen Dialog wird der verstorbene König endgültig in die Gemeinschaft der Götter aufgenommen.
Die entsprechenden Szenen bei Siptah zeigen, dass der König noch vor seinem eigentlichen Eintritt in das Grab den Sonnengott in seinen verschiedenen Erscheinungsformen anbetet (Architravszene), in dessen ewigen zyklischen Lauf er eingebunden sein möchte, während zugleich die beiden Göttinnen Isis und Nephthys auf die erhoffte Osiriswerdung anspielen.
Beim Betreten des jenseitigen Reiches wird er am Eingang des Grabes als König beider Landeshälften und im Schutze der Tochter des Re (Maat auf den Wappenpflanzen, Abb. 10), die gleichzeitig die Fortdauer der Weltordnung garantiert, von Re-Harachte in Empfang genommen und mit diversen Verheissungen beschenkt (Eingangsszene). Über ihm flattern - wie jeweils auch über der Mittelachse von Tempeln - geflügelte Wesen mit den Köpfen der Kronengöttinnen Nechbet (Geier) und Wadjit (Schlange) und begleiten ihn ins Grabinnere (Abb. 11), während die Texte und Darstellungen an den Wänden und der Decke ihn mit Re gleichsetzen und in den täglichen Sonnenlauf einbinden (Sonnenlitanei, Amduat).
Schliesslich endet der erste Teil seiner Reise mit der erfolgreichen Balsamierung und Ausstattung mit den notwendigen Riten und Utensilien durch Anubis (Totenbuch, Spruch 151, Abb. 12) am Ende von Korridor C und dem Betreten des Reiches von Sokar in Korridor D, bevor der König mit dem Schachtraum die Begräbnisstätte des Sokar erreicht, noch von schützenden Gottheiten umgeben und bewacht (Schachtraum). Und schliesslich nimmt er in der oberen Pfeilerhalle die Erscheinungsform des Osiris an, wie dies in der Szene an der Rückwand über dem Abgang zu Korridor G zum Ausdruck kommt (Osiris-Schrein).
Ab da setzt er seine Reise nicht mehr als König sondern als Gott fort. Damit ist gleichsam eine Zäsur des Grabgrundrisses in eine obere und eine untere Hälfte geschaffen. Im unteren Teil des Grabes, der bei Siptah entgegen bisheriger Aussagen vollständig dekoriert war, setzt er seine unterweltliche Reise fort (Amduat). Vor der endgültigen Grablegung und der damit verbundenen erfolgreichen Verjüngung in der Sarkophaghalle deuten die noch vorhandenen Spuren am Ende des letzten Korridores mit der 6. (links) und 7. (rechts) Stunde des Amduat auf die Vereinigung von Ba und Leichnam sowie die Überwindung des Apophis.
Schliesslich ruht der König (und damit der Sonnengott) am Ende seines Ganges durch das Königsgrab in seinem Sarkophag, von Texten und Darstellungen des Sonnenlaufes umgeben,  während in der Darstellung auf dem Deckel gleichzeitig seine Osiriswerdung nochmals verdeutlicht wird.

Zur Sonnenlitanei
Die in den Korridoren B und C angebrachte Sonnenlitanei ist eine lange Hymne an den Sonnengott. Sie gehört zur Standarddekoration der ramessidischen Königsgräber (19. und 20. Dynastie). Anhand des konkreten Beispiels der Aufzeichnung im Grabe Siptahs wurde der Text als liturgischer Text zu verstehen versucht, als ein Text, der im Grab von Priestern rezitiert wurde. Für die Frage, wie sich die einzelnen Abschnitte, die auch Bilder enthalten, zueinander verhalten, konnten anhand der Aufzeichnung im Raum neue Erkenntnisse gewonnen werden. So kann der Textabschnitt, der stets im dritten Korridor an der Decke angebracht ist, als Refain zu der langen Litanei von Anrufungen an den Sonnengott gedeutet werden, die den Anfang der Komposition bilden.

Abb. 15: Figuren der Sonnenlitanei

Abb. 15: Figuren der Sonnenlitanei

Abb. 16: Deckentext der Sonnenlitanei

Abb. 16: Deckentext der Sonnenlitanei

Zur Regierungszeit Siptahs

Die Umstände der Thronbesteigung und Herrschaft des Siptah (1196-1190) , der als 7. König der 19. Dynastie und Nachfolger Sethos' II. 5 Jahre und 9 Monate regierte, sind noch nicht mit völliger Sicherheit zu bestimmen. Der 20. Dynastie galt er als illegitim. Eine neue Interpretation der historischen Indizien führt zu folgendem Szenario: Gegen Ende der Regierung Sethos' II. bestimmte der König in Ermangelung eines eigenen Sohnes einen hohen Hofbeamten namens Baj (Beja) zum Thronfolger. Dieser Baj (Beja) war Schatzmeister des ganzen Landes und neben der Stiefmutter des Siptah, der Tausret, die beherrschende politische Gestalt der Zeit. Eine Anzahl von Denkmälern bezeugen Baj neben Siptah; er hatte das Privileg eines eigenen Grabes im Tal der Könige (KV 13), ein Weingut im Delta, beanspruchte die Teilnahme am königlichen Totenkult und übernahm sogar königliche Beinamen und Attribute. Wie sich aus der Dekoration des Barkensanktuars Sethos' II. in Karnak ergibt, wurde Sethos II. jedoch kurz vor seinem Tod oder postum doch noch ein Thronfolger - ein Prinz Seti-Merenptah - geboren, offenbar von seiner Gemahlin (und späteren Königin) Tausret. Baj (Beja) erhob in dieser Situation den unmündigen Prinzen Siptah, vielleicht Sohn des Königs Merenptah von einer syrischen Nebenfrau, zum König, dürfte aber hinter ihm als eigentlicher Regent agiert haben. Nach Ausweis seiner Mumie starb Siptah mit etwa 20 Jahren, war zum Zeitpunkt der Thronbesteigung also erst 14 Jahre alt. Ausserdem zeigt seine Mumie eine pathologische Verkrümmung des linken Fusses, die vermutlich von einer Erkrankung an Poliomyelitis (Kinderlähmung) herrührt (Abb. 13).

Abb. 17: Mumie Siptahs

Abb. 17: Mumie Siptahs

Im grossen Papyrus Harris, einem Rechenschaftsbericht Ramses' IV., wird Siptah retrospektiv als «der, der sechs Jahre regierte, ein Syrer» bezeichnet. Vermutlich als Reaktion auf die Existenz des Thronerben Seti-Merenptah änderte Siptah seine Titulatur. An die Stelle des Eigennamens Ramses-Siptah und des Thronnamens Der von Re Inthronisierte, Geliebter des Amun trat nun der Eigenname Merenptah-Siptah und der Thronname Nützlich für Re, den Re erwählt hat . Nach dem frühen Tod des potentiellen Thronfolgers Seti-Merenptah, der vielleicht im «Goldgrab» KV 56 im Tal der Könige bestattet wurde, scheint der Konflikt um den Thron zwischen Baj (Beja) und Siptah im vierten Jahr des Siptah eskaliert zu sein: Mit dem unerwarteten Tod des leiblichen Sohnes Sethos' II., der Beja einst als Kronprinz zuvorgekommen war, konnte Beja seinen Anspruch auf den Thron (Designierung durch Sethos II.) gegenüber demjenigen Siptahs erneut herausstellen, und in der Tat ist ein politischer Konflikt zwischen beiden in den Quellen erkennbar. Nach dem Tod ihres eigenen Sohnes stand Tausret nun aber als Mitregentin auf seiten Siptahs. Im 5. Jahr seiner Regierung lässt Siptah, wie wir durch ein neugefundenes Ostrakon wissen, den illoyalen Baj (Beja) als Staatsfeind hinrichten. Siptah selber überlebte ihn aber nur weniger als ein Jahr, und auch Tausret konnte sich als alleinige Königin Ägyptens nur anderthalb Jahre halten, bis Sethnacht die 20. Dynastie begründete.

Siptah ist v.a. durch Inschriften und Darstellungen in Wadi Halfa und Abu Simbel (Einsetzung des Vizekönigs von Kusch, Sethi, in seinem 1. Jahr) sowie in Sehel, Amada, Assuan und Gebel es-Silsileh belegt. In seinem 1. Jahr wird mit dem Bau des Königsgrabes (KV 47) begonnen; die Kartuschen wurden aus unbekanntem Grunde getilgt (versuchte Usurpation des Grabes durch Baj?) und später wiederhergestellt. Sarg und Mumie Siptahs wurden in der 21. Dynastie in das Grab Amenophis' II. umgebettet. Die Gründungsdepots seines über Anfänge offenbar nicht hinausgelangten Totentempels enthielten Plaketten aus Fayence, Gold- und Silberblech, Skarabäen, Ringe usw., darunter Objekte (auch Weinkrugaufschriften) des Kanzlers Baj. An Denkmälern ist neben seinem Grab und Totentempel v.a. eine Statue in München anzuführen, die Siptah auf dem Schoss einer abgearbeiteten Figur zeigt, die offenbar der Verfemung anheim gefallen ist und in der vermutlich Baj (Beja) zu erkennen ist.

Publikationen zu diesem Thema

• T. Schneider, Siptah und Beja. Neubeurteilung einer historischen Konstellation,  in: Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde [ZÄS], Bd. 130, 2003, 134-146.
• D. Cilli, Delivery Ostraca Discovered Adjacent to KV 47, in: Mark Collier / Steven Snape (eds), Ramesside Studies in Honour of K. A. Kitchen, Bolton 2011, 95-110.
• H. Jenni, Sonnenlitanei, in: Bernd Janowski / Daniel Schwemer (Hg.), Grab-, Sarg-, Bau- und Votivinschriften (Texte aus der Umwelt des Alten Testaments. Neue Folge, Bd. 6 [TUAT.NF 6]), Gütersloh 2011, 236-272.
• D. Cilli, Die Ostraka der späten 19. Dynastie aus dem Gelände des Grabes Pharaos Siptah (KV 47) im Tal der Könige, Dissertation, Basel 2013 (in italienischer Sprache).
• A. Dorn / E. Paulin-Grothe, Ausgrabungen im Tal der Könige 1998–2008: Grabungsareale und Spuren früherer Ausgräber, in: Zur modernen Geschichte des Tals der Könige. Tagung in Basel vom 1. September 2007 mit Beiträgen zum Grab Ramses' X. (KV 18) und zu Funden aus moderner Zeit, hg.v. Hanna Jenni (Aegyptiaca Helvetica [AH] 25), Basel: Schwabe 2015, 66–72.

Das Grab Siptahs war in der ägyptologischen Literatur zwar längst bekannt, aber bei weitem nicht vollständig dokumentiert. Nachgrabungen und Detailanalysen waren nötig, um diese Lücke zu schliessen. Dabei haben sich neue Fragestellungen ergeben, die sowohl für die Architekturgeschichte wie auch für die Geschichte der funerären Texte von Bedeutung sind.

Longines Logo

Dieses Teilprojekt wurde mit einem namhaften finanziellen Beitrag gesponsert von LONGINES.