Tiaa KV 32: Die Anlage

Während der Kampagne 2000/2001 wurde nicht nur die Stelle des Zusammenstosses zwischen KV 32 und KV 47 (Siptah) untersucht, sondern auch KV 32 selber ausgegraben. In KV 32 hatte bereits Victor Loret gegraben, der das Grab im Jahre 1898 entdeckt hatte.

Der Treppenabgang von Korridor A ist äusserst steil und zerstört, so dass der Zugang eine recht anstrengende Kletterei ist. Es folgen drei Korridore, B bis D, von denen C auch recht steil ist, und dann der Sarkophagraum J. Er weist einen Pfeiler auf. Vom Sarkophagraum J ist links ein Nebenraum Ja zu betreten. Von diesem aus geht rechts die Verbindung zu dem Grab Siptahs (KV 47) ab (Abb. 2).

Abb. 2: Plan von KV 32

Abb. 2: Plan von KV 32

Abb. 1: Eingang nach Konsolidierung

Abb. 1: Eingang nach Konsolidierung

Für wen das undekorierte Grab im Tal der Könige angelegt worden war, konnte erst durch die die Basler Neufunde sicher bestimmt werden: für Tiaa, die Gemahlin Amenophis' II. (1413-1388 / 1426-1400 v.Chr.) und Mutter Thutmosis' IV. (1388-1379 / 1400-1390 v.Chr.).

Die Grabbesitzerin und ihre Beigaben

Während der Kampagne 2001/2002 sind Funde zum Vorschein gekommen, von denen einige die Königsmutter Tiaa nennen:

  • Fragmente vom Kanopenkasten der Tiaa
  • Zwei Kanopendeckel
  • Uschebti der Tiaa
  • Miniatursarg der Tiaa
  • Tit-Amulett der Tiaa
  • Udjat-Amulett
  • Djed-Amulett
  • Entengefässe
  • Gefäss aus Glaspaste
  • Keramik
  • Scheingefäss von Sennefer und Senetnai

Als Beispiel hier in Abb. 3 die Totenfigur (Uschebti) mit Inschrift, die den Namen Tiaa in einer Kartusche (Namensring) enthält. 

Tiaa ist bekannt als Gemahlin Amenophis' II. (1413-1388 / 1426-1400 v.Chr.) und Mutter Thutmosis' IV. (1388-1379 / 1400-1390 v.Chr.). Ausgrabungen zu Beginn des 20. Jhs. im erwähnten Grab Siptahs (KV 47), die ebenfalls Fragmente mit diesem Namen zutage brachten, wurden - fälschlich, wie sich jetzt gezeigt hat - der Mutter Siptahs zugeschrieben. Der Grund für den Fundort dieser Fragmente ist, dass sie aus KV 32 durch Regenwasser in das Grab Siptahs geschwemmt wurden.

Eine 111,5 cm hohe Statue des Königs Thutmosis' IV. und seiner Mutter Tiaa aus schwarzem Granit, die ursprünglich im Amun-Tempel von Karnak aufgestellt war, befindet sich heute im Ägyptischen Museum in Kairo (Abb. 4).

Zu den bedeutenden Funden unserer Ausgrabung gehören Fragmente des Kanopenkastens der Königin Tiaa (Abb. 5). Kanopen sind Krüge, in denen die Eingeweide, die bei der Mumifizierung aus dem Leichnam entfernt wurden, separat bestattet wurden. Tiaas Kanopenkasten war aus Kalzit-Alabaster gefertigt. Die Dekoration in versenktem Relief war mit blauer Farbe bemalt.

Aus unzähligen Bruchstücken konnte der Kanopenkasten der Tiaa unter Verwendung von Abgüssen der Fragmente, die sich im Metropolitan Museum of Art in New York befinden, zusammengefügt werden (Abb. 6). Wir danken Catharine Roehrig vom Metropolitan Museum of Art für ihre Kooperation. Es fehlen vom Kanopenkasten im Wesentlichen nur noch Teile von der Oberseite und von einer der vier Wände.

Die Untersuchung des undekorierten Grabes KV 32 hat zu dem bedeutenden Schluss geführt, dass es der Königin Tiaa aus der 18. Dynastie gehörte. Es ist somit das bisher einzige zuschreibbare Grab einer Königsgemahlin im Tal der Könige. Erst in der Ramessidenzeit (19. und 20. Dynastie) erhielten die Königsgemahlinnen dekorierte Gräber. Diese wurden jedoch nicht im Tal der Könige angelegt, sondern in einem Wadi südlich davon, dem sogenannten Tal der Königinnen.

Tiaa überlebte ihren Gatten und starb während der Regierungszeit ihres Sohnes, Thutmosis' IV. Tiaas Mumie wurde bis jetzt nicht identifiziert. Möglicherweise wurde sie in der 21. Dynastie zusammen mit derjenigen von Thutmosis IV. in die Cachette von KV 35 (Amenophis II.) umgebettet. Dort wurde eine weibliche Mumie gefunden (von Elliot Smith, Catalogie Général, Nr. 61070, als «the Elder Lady» bezeichnet), die bisher unidentifiziert geblieben ist (Abb. 7). Mit modernen Untersuchungsmethoden könnte ein genetischer Zusammenhang zwischen der sicher identifizierten Mumie Thutmosis' IV. und der «Elder Lady», verifiziert oder falsifiziert werden.

Publikation

Hanna Jenni, Andreas Dorn, Elina Paulin-Grothe. Mit einem Beitrag von David Aston, Das Grab der Königin Tiaa im Tal der Könige (KV 32) (Swiss Egyptological Series SES, Bd. 1), Basel/Frankfurt: Librum 2021. DOI 10.19218/3906897479.

Abb. 3: Uschebti der Tiaa

Abb. 3: Uschebti der Tiaa

Abb. 4: Tiaa und ihr Sohn, Thutmosis IV.

Abb. 4: Tiaa und ihr Sohn, Thutmosis IV.

Abb. 5: Fragmente des Kanopenkastens

Abb. 5: Fragmente des Kanopenkastens

Abb. 6: Der Kanopenkasten mit Abgüssen des Metropolitan Museum of Art

Abb. 6: Der Kanopenkasten mit Abgüssen des Metropolitan Museum of Art

Abb. 7: Wer war die «Elder Lady»?

Abb. 7: Wer war die «Elder Lady»?