Weisser Marmor am Schwarzen Meer: Untersuchungen zu Funktion und Bedeutung griechischer Plastik in einer Kontaktzone der antiken Welt

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Weisser Marmor am Schwarzen Meer

Die griechische Plastik ist ein Kerngebiet der Klassischen Archäologie, das auch heute noch stark von stilistischen Überlegungen geprägt ist. Lineare chronologische Entwicklungen sowie qualitative Unterschiede zwischen Zentrum und Peripherie wurden und werden dabei häufig unkritisch vorausgesetzt. Meine Habilitationsschrift nähert sich diesem Thema daher von einer neuen Perspektive an: Den Ausgangspunkt meiner Untersuchungen bilden die griechischen Skulpturen aus den Regionen um das Schwarze Meer, einem Gebiet, das sowohl geographisch als auch kulturell am Rande der griechischen Einflusssphäre lag und das nicht zuletzt aufgrund der Spaltung Europas nach dem zweiten Weltkrieg von der (mittel-)europäischen Altertumsforschung kaum wahrgenommen wurde. Die Skulpturen dieser Region, von der Archaik bis in den Hellenismus, werden nun erstmals systematisch vorgelegt und im Hinblick auf ihre kunst- und kulturhistorische Bedeutung untersucht. Dies geschieht vor dem Hintergrund der Migrationsbewegungen im Verlauf der sogenannten Grossen Griechischen Kolonisation, die zur Entstehung von ortsspezifisch unterschiedlich dichten kulturellen Kontaktzonen führten. Plastische Werke prägen das Erscheinungsbild von Heiligtümern, öffentlichen Anlagen und Grabmonumenten, ihre Herstellung und ihr Transport waren mit einem hohen Aufwand verbunden – sie wurden daher bewusst ausgewählt und wahrgenommen. Die Berücksichtigung der kulturhistorischen Hintergründe der jeweiligen Fundorte und das Einbeziehen von aktuellen naturwissenschaftlichen Methoden erlauben eine unvoreingenommenere Annäherung an Fragen nach der Herkunft, der Funktion und der Bedeutung der Skulpturen aus dem Schwarzmeerraum in einer diachronen Perspektive. Aus diesen neuen Blickwinkeln heraus lassen sich auch Phänomene wie bewusste Aufgriffe bestimmter und nicht zwingend kontemporärer Bildchiffren, Motive oder auch Stile fassen. Die in Fallstudien aufgezeigten Brüche in bislang vorausgesetzten stilistischen Reihen sollen darüber hinaus eine Diskussion zum generellen Umgang mit griechischer Plastik sowie ihrer Rezeption in kulturellen Kontaktzonen anregen.

Projektverantwortliche:Veronika Sossau

Finanzierung: Forschungsfonds der Universität Basel