Frederik Rogner

Raum und Narrativität in der Flachbildkunst des ägyptischen Neuen Reiches

In der bisherigen Forschung wurde die Narrativität ägyptischer Bilder am Kriterium der „Historizität“ des Dargestellten festgemacht. Nur Darstellungen singulärer historischer Ereignisse könnten demnach narrativ sein; für Abbildungen wiederholter Geschehnisse sei dies hingegen a priori nicht möglich. Diese aus narratologischer ebenso wie aus geschichtswissenschaftlicher Sicht zu kritisierende Bewertung führte zur Bewertung eines Großteils der ägyptischen Bildproduktion als „nicht narrativ“. Unter Anwendung adäquater Kriterien, welche die bildimmanenten Narrativierungsmechanismen des Bildes unabhängig von der Referenz zu einem historischen oder fiktiven Ereignis „hinter“ dem Bild bestimmt, ist die Frage nach dem narrativen Potential der ägyptischen Bilder neu zu stellen. Die Reliefs und Wandmalereien des Neuen Reiches (ca. 1550­–1050 v. Chr.) bieten hierzu aufgrund verschiedenster Innovationen und der großen Menge des erhaltenen Bildmaterials optimale Voraussetzungen. 

Zudem muss auch die bisherige Annahme, die ägyptischen Darstellungskonventionen erlaubten keinerlei Wiedergabe von Räumlichkeit im Flachbild, hinterfragt werden. Zahlreiche Beispiele aus dem Neuen Reich zeigen nämlich den Versuch der Bildproduzenten auf, unter Ausnutzung der ihnen zur Verfügung stehenden Methoden unter anderen durch die Einbringung eines räumlichen Momentes das narrative Potential der Bilder zu steigern. Dies kann auf verschiedenen Ebenen – vom einzelnen Bildobjekt über die Gesamtkomposition bis hin zur Ausnutzung der Räumlichkeit der monumentalen Bildträger selbst – geschehen.

Die „Singularität der Bilder“ welche die Leitheuristik der Graduate School des Nationalen Forschungsschwerpunktes « eikones – Bildkritik » bildet, erlaubt hierbei nicht nur eine Bewertung interikonischer Bezüge, welche den Versuch aufzeigt, Szenen im Spannungsfeld von Nachahmung und Neukonzeption durch zunehmende Entfernung von der „hieroglyphischen“ Gestalt der Elemente zu aktualisieren und damit narrativ aufzuladen. Auch die unterschiedlichen Erzeugungsmöglichkeiten von Räumlichkeit in verschiedenen Gattungen bzw. Umgebungen – etwa Privatgräbern, Tempeln und Königsgräbern – erlauben einen Einblick in die unterschiedlichen Realisierungen ähnlicher Bildinhalte und damit verschiedener Grade von Dynamisierung und Narrativierung.

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