SNSF n° 100015_159538: "Von frühen Christen, wilhelminischen Gelehrten und Nanotechnologen – Neue Herangehensweisen an Basler Zeugnisse aus der ägyptischen Wüste"
Die Basler Papyrussammlung
Die Universitätsbibliothek in Basel ist im Besitz einer kleinen Papyrussammlung von 63 Papyri aus ptolemäischer, römischer sowie spätantiker Zeit in überwiegend griechischer, aber auch hieratischer, lateinischer, koptischer und mittelpersischer Sprache. Der Freiwillige Museumsverein der Stadt Basel erwarb sie im Jahre 1900 für die Universitätsbibliothek und machte damit Basel zur einer der ersten Universitäten, die im Besitz einer Sammlung griechischer Papyri war.
Was sind überhaupt Papyri und was ist Papyrologie?
Papyrus war das antike Papier, universell von allen Schichten der Gesellschaften für alle möglichen Alltagsgeschäfte benutzt. Es wurde aus dem Mark der Papyrusstaude hergestellt. Papyri haben aufgrund des günstigen trockenen Klimas in Mittel- und Oberägypten Jahrtausende im Wüstensand überdauert – sei es in der bekannten Rollenform, deponiert vom ehemaligen Besitzer und dann zurückgelassen, als ‚Altpapier‘ auf antiken Abfallhäufen oder wiederverwendet für Mumienkartonagen.
Die Papyri liefern uns Einblicke in das Leben und den Alltag der einfachen Leute und stellen im Rahmen der antiken Überlieferung aufgrund ihres unmittelbaren und persönlichen Charakters eine besonders faszinierende Textgattung dar. Wir lernen aus den Papyri etwas über den Alltag der Menschen, ihre ökonomische Situation, ihr Ehe- und Familienleben, ihre Ernährungsweise, Gesundheit, Krankheit und Tod, das Verhältnis der Generationen untereinander und die Beziehung und Rollenverteilung zwischen Frauen und Männern.
Die Edition der Basler Papyrussammlung
Die zwischen Plexiglasplatten konservierten Papyrusdokumente der Basler Sammlung lagern in zwei Schubladen in der Sammlung für Alte Handschriften im Sonderlesesaal der Universitätsbibliothek Basel. Im frühen 20. Jahrhundert nahm sich zwar der an der Universität Basel als Professor für Rechtsgeschichte lehrende Ernst Rabel (Basel 1906-1910) der Sammlung an und bearbeitete einige ausgewählte Texte. Doch er beliess es bei einer Auswahl von 26 Papyri, die er als „Papyrusurkunden der Öffentlichen Bibliothek der Universität zu Basel“ während des 1. Weltkriegs im Jahre 1917 publizierte. Einen weiteren Band mit den übrigen Papyri in Basel hat es nie gegeben, vor allem deswegen weil Rabel bereits 1910 wieder verließ und in der Folgezeit die Papyrussammlung in Vergessenheit geriet.
Hier setzte das vom SNF geförderte Basler Papyrusprojekt der Alten Geschichte an. Das von Sabine R. Huebner geleitete Editionsprojekt, das seit September 2015 bis August 2018 vom Schweizer Nationalfonds gefördert wurde, strebte eine komplette Aufarbeitung der Sammlung an. Das Digital Humanities der Universität Basel übernahm dabei die Digitalisierung der Sammlung. Ziel war die komplette Neu- bzw. Erstedition aller Basler Papyri in Druckform in den Beiheften des Archiv für Papyrusforschung als auch die Bereitstellung der digitalisierten Papyri mit Metadaten auf in open access zugänglichen internationalen Datenportalen wie www.papyrusportal.de und www.papyri.info.
Während der Förderperiode 2015-2018 wurde viel erreicht. Alle Papyri der Basler Papyrussammlung wurden digitalisiert, transkribiert, kommentiert und übersetzt. Die Edition der Basler Papyri wurden zur Publikation in der Reihe ‘Beihefte des Archivs für Papyrusforschung’ (DeGruyter) angenommen. Des Weiteren ist die Papyrologie und die Basler Papyrussammlung in den Jahren der Projektlaufzeit zu einem wichtigen Kernstück der Basler Altertumswissenschaften herangewachsen. Dank dieses Projekts konnte sich die Basler Alte Geschichte als zentrale internationale Anlaufstelle für Nachwuchswissenschaftler auf dem Gebiet der Papyrologie aufstellen und hat sich als internationales Kompetenzzentrum für die Erforschung des griechisch-römischen Ägyptens etabliert.
Die Edition der Basler Papyrussammlung hat aufsehenerregende Funde zutage gefördert. Es konnte aufgrund propopographischer Recherchen gezeigt werden, dass es sich beim Basler Papyrusbrief P.Bas. 2.43 um das älteste christliche Autograph handelt. Der Brief datiert in die 230er Jahre und ist damit rund ein halbes Jahrhundert älter als die frühesten christlichen Zeugnisse unter den dokumentarischen Papyri. Durch die Verwendung des nomen sacrum „ich grüße Dich ‘im Herrn’“ ist der Briefschreiber klar als Christ zu identifizieren. Der Brief offenbart uns Einsicht in die Welt der frühsten Christen im ägyptischen Hinterland, über die uns die literarischen Quellen völlig im Dunkeln lassen. Die beiden christlichen Brüder im Brief haben politische Ämter inne und gehören zur lokalen Oberschicht ihrer Stadt. Auch der Fundort des Papyrus konnte rekonstruiert werden. Er stammt aus dem Dorf Theadelphia im Nordosten des Fayum und gehört zum berühmten Heroninos-Archiv, dem größten Papyrusarchiv aus römischer Zeit.
Dank der vom SNF geförderten Archivstudien in internationalen Papyrussammlungen wurde des Weiteren festgestellt, dass das unpublizierte Fragment P.Bas. inv. 42 zu einem Papyrus in der British Library gehört (P.Lond. 1013). Die beiden Fragmente werden nun gemeinsam im Editionsband der Basler Papyri publiziert. Ferner stellten wir fest, dass das Basler Fragment P.Bas. 7 zu einem unpublizierten Papyrus in der Sammlung der University of Michigan in Ann Arbor gehört (P.Mich. inv. 3958), der ebenfalls eingesehen und mitediert wurde.
Beim Papyrus P.Bas. 1A, einen Text in „Spiegelschrift“, der zu den seit dem 16. Jh. in Basel befindlichen Papyri gehört, wurde festgestellt, dass es sich um mehrere mit Leim miteinander verklebte Schichten Papyrus handelt, die Fragmente einer medizinischen Abhandlung aus dem 2./3. Jh. überliefern. Die „Spiegelschrift“ entstand durch den Abdruck feuchter Tinte. Eine professionelle Restaurierung inklusive Trennung der Papyruslagen, die Voraussetzung für eine Transkription und Edition erfolgte durch den Papyrusrestaurator, Jörg Graf aus Leipzig im April 2018. Die Transkription durch die Post-Mitarbeiterin Dr. Isabelle Marthot-Santaniello erfolgte im Mai/Juni 2018.
Ferner wurden abgesehen von den bekannten griechischen und koptischen Papyri ein persisches Pergament in Pahlavi entdeckt, das durch eine vor Ort ansässige Kollegin, Dr. Stefanie Schmidt, mitediert wurden. Es wurden zudem während der Projektlaufzeit fünf literarische Papyri identifiziert: zwei der vier Fragmente von P.Bas. inv. 27 enthalten Verse aus Homers Ilias, die zwei weiteren literarische Fragmente enthalten einen bislang unbekannten Text, und P.Bas. inv. 41 ist ein neues christliches Epigramm eines unbekannten Autors.
Archivrecherchen in der Bayerischen Staatsbibliothek München und der Nationalbibliothek Strassburg förderten reiches Material zur Herkunft und Geschichte des Ankaufs der Sammlung in Ägypten im Winter 1899 zu Tage, das für die Einleitung des Editionsbandes aufgearbeitet wurde.
Eine vom Projektteam konzipierte Ausstellung zur Basler Papyrussammlung in der Universitätsbibliothek Basel, die von Februar bis April 2017 lief, stieß auf großes Interesse bei den Nachbarfächern als auch bei der Basler Öffentlichkeit. Im Rahmen des Projekts veranstalteten wir im Februar 2017 in Basel auch den Ersten Schweizer Papyrologentag, zu dem papyrologisch arbeitende Wissenschaftler aus der Schweiz nach Basel kamen und aus ihren laufenden Forschungsarbeiten berichteten. Prof. Andrea Jördens (Heidelberg), Direktorin des Seminars für Papyrologie der Universität Heidelberg und Präsidentin der Association Internationale de Papyrologues, hielt die Keynote Lecture zum Thema „Schweizer Papyrologie und Schweizer Papyrologen“.
Zudem wurde im Rahmen des Projekts eine Konferenzserie ins Leben gerufen («New Approaches in a New Generation: Studying Graeco-Roman Egypt»), die Nachwuchspapyrologen einmal im Jahr nach Basel ruft, um dort ihre neuen Ansätze und Forschungsmethoden auf dem Gebiet der Papyrologie vorzustellen. Die erste fand im Dezember 2017 statt, die zweite im September 2018.
Parallel zur Aufarbeitung und Edition der Basler Papyrussammlungen haben wir im Rahmen des Projekts zudem mehrere Lehrveranstaltungen für Studierende der Alten Geschichte und Nachbarfächer zur Einführung in die Papyrologie und zur Kodierung auf papyrologischen Datenbanken angeboten, die auf reges Interesse stießen und mittlerweile jedes Semester im Lehrprogramm fest verankert sind. Internationale Papyrologen wurden für Workshops eingeladen: Dr. James Cowey (Heidelberg) bot einen workshop zur Kodierung für die online Datenbank Papyri.info an. Dr. Rodney Ast (Heidelberg) offerierte ein "Digital Humanities training" in drei Sitzungen, zwei zur Kodierung und eins zur Geschichte und zur zukünftigen Entwicklung von papyri.info.