Bauuntersuchungen spätrömischer Anlagen am Hochrhein

Seit 2012 arbeiten Prof. Dr. Peter-Andrew Schwarz und sein Team von der Universität Basel (Vindonissa-Professur) in Zusammenarbeit mit der Kantonsarchäologie Aargau und der Kantonsarchäologie Baselland an der "mise en valeur" der spätrömischen Wachtürmen und Befestigungsanlagen am Hochrhein. Die vorhandenen Dokumentationen werden durch die Ergebnisse moderner Bauuntersuchungen sowie die Resultate von Prospektionen ergänzt. Zugleich werden die Monumente saniert und in Zusammenarbeit mit den Standortgemeinden wieder in die öffentliche Wahrnehmung gerückt.

In Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Beat Näf und seinem Team von der Universität Zürich hat die Vindonissa-Professur 2020 die Publikation "Mauern gegen Migration" zu den spätrömischen Wachtürmen und Befestigungsanlagen des Hochrhein-Limes veröffentlicht.

Die (allseitig?) von einem Graben umgebene Anlage befindet sich heute ca. 40 m vom Rhein entfernt und liegt ca. 7 m über dem heutigen Wasserspiegel. Standortentscheidend war sicher die Uferzone, die ein problemloses Anlanden ermöglichte, die 1535 erstmals erwähnte, auf älteren Karten eingezeichnete Furt sowie der Umstand, dass das auf der rechten Rheinseite liegende Tal der Wehra eingesehen werden konnte.

Erste Untersuchungen in der 1871 von F. Keller beschriebenen Ruine erfolgten 1913 auf Veranlassung von K. Stehlin, vollständig freigelegt wurde die Ruine 1949/50; die Restaurierung wurde 1955 abgeschlossen; Nachkonservierungen erfolgten 1971/1972.

Die 2015 begonnen Arbeiten umfassten die Reinigung des Mauerwerks und die Dokumentation der Bausubstanz mit Hilfe von fotogrammetrischen Methoden, kombiniert mit Zeichnungen und 3D-Modellierungen. Bei der Analyse der Mauerschalen zeigte sich, dass die darin verbauten Handquader aus Kalkstein zahlreiche Frostsprengungen aufweisen. Letzteres weil die Fugen seinerzeit mit Portlandzement verschlossen wurden und im Mauerschutt gefundene Handquader verbaut wurden. Des Weiteren wurde festgestellt, dass die Schäden v.a. die modern aufgemauerten Mauerpartien betreffen.

Bautypologisch betrachtet, handelt es sich wohl nicht um einen Turm, sondern um ein massives, wohl mindestens zwei Stockwerke hohes Gebäude mit Innenhof (Atrium), wie sie auch vom spätantiken Donaulimes (z.B. Gunzenhausen, D; Visegrád-Lepence, HU) bekannt sind. Für die Existenz eines galerie-artigen Obergeschosses bzw. eines Innenhofs sprechen die Dimensionen des Mauergevierts (Seitenlänge aussen 17.50 m; innen zwischen 12.78 m und 13.07 m; Mauerstärke ca. 2.30 m) sowie verschiedene, z.T. vor Ort verbliebene Architekturelemente. Der bei der Restaurierung z.T. zugemauerte, z.T. mit roten Sandsteinplatten markierte Eingang befand sich auf der Rheinseite. Seine Breite ist nicht mehr mit Sicherheit zu rekonstruieren; Indizien sprechen aber dafür, dass es sich um ein wohl befahrbares Tor gehandelt hat. 

Der 1900 von S. Burkart entdeckte und zwei Jahre später z.T. freigelegte Turm besitzt einen rhomboiden Grundriss und steht am Rand der ca. 25 m hohen, steil zum Rhein abfallenden Böschung der Niederschotterterrasse.

1910 führte K. Stehlin weitere archäologische Untersuchungen durch, bei denen auch der auf der Nordseite noch sichtbare Sohlgraben sowie ein darin installierter mittelalterlicher oder neuzeitlicher Kalkbrennofen entdeckt wurden. Weitere Untersuchungen erfolgten 1938 vor der Restaurierung durch die Fricktalisch-Badischen Vereinigung für Heimatkunde; Nachkonservierung im Jahr 1974.

Wichtige Informationen lieferte die im Zuge unserer Recherchen im Fricktaler-Museum in Rheinfelden aufgefundene Dokumentation (Fotografien, Maueransichten, Pläne). Die Fotografien zeigen u.a., dass die Mauerkronen mit Makadam abgedichtet wurden, bevor die aus Kalksteinplatten bestehende, weitgehend intakte Verschleissschicht verlegt worden ist.

Im Hinblick auf die 2017 anstehende Sanierung wurde das Areal ausgerodet, das Mauerwerk gereinigt und umfassend dokumentiert. Dabei kamen fotogrammetrische Methoden kombiniert mit Zeichnungen und 3D-Modellierungen zum Einsatz. Überraschend war, dass sich die Mauerschalen in einem guten Zustand befinden, obschon alle Fugen mit Zement ausgestrichen worden sind und dass sich an der Innenschale der Nordmauer noch Reste des antiken Kalkmörtelverputzes erhalten haben.

Anders als bei den meisten anderen Wachtürmen am Hochrhein liegt der Eingang hier nicht auf der Rhein-, sondern auf der Landseite, d.h. im Osten. Bei der Reinigung der ehemals unter den (antik ausgeplünderten) Türschwellen liegenden OK des Fundaments zeigte sich, dass diese bei der Restaurierung im Originalzustand belassen worden ist. Die äussere (östliche) Schale des Fundaments besteht aus Kalkbruchsteinen, die innere (westliche) aus grossen Kieselwacken, der Kern aus hervorragend erhaltenem, mit Kieselwacken durchsetztem opus caementitium. Gut erhalten sind auch die Negative der in der Übergangszone zwischen Fundament und Aufgehendem verbauten Rundhölzer.

Das Obere Bürkli steht am Rand einer heute rund 400 m vom Rhein entfernten Geländestufe welche dem südlichen Ufer eines wahrscheinlich bereits in der Spätantike weitgehend verlandeten Altarms entspricht. Der Standort bietet gute Sicht auf die vorgelagerte Schwemmlandzone des Rheins und auf das gegenüberliegende (deutsche) Rheinufer mit dem Mündungsgebiet der Alb.

Erstmals beschrieben wurde das Obere Bürgli 1871 von Ferdinand Keller (1800-1891): „Unterhalb des Dorfes Schwaderloh befindet sich auf dem alten Rheinbord, etwa 10' über dem Niveau des Flusses, ein mit Gesträuch bewachsener Mauerstock, Bürgli genannt. Die Nord- und Ostseite desselben stehen rechtwinklich zu einander, an der Süd- und Westseite ist die Mauermasse jetzt abgerundet“. Eine erste Ausgrabung fand 1913 unter der Leitung von Karl Stehlin (1859-1934) statt. Er beschränkte sich dabei auf die punktuelle Freilegung der Mauerkronen, um den Grundriss und die Dimensionen des Wachturms erschliessen zu könnenund legte im Umfeld zwei Sondierschnitte an. Auf Anregung der Fricktalisch-Badischen Vereinigung für Heimatkunde wurde der Wachturm 1977 von der KA AG vollständig freigelegt und anschliessend umfassend konserviert.

Die 2015 durchgeführten Arbeiten beinhalteten die Entfernung des Bewuchses, die Entfernung des modernen Mergelbelags im Inneren des Wachturms, die Reinigung des Mauerwerks, die Dokumentation der antiken Bausubstanz und der älteren Konservierungsmassnahmen sowie die Sanierung des konservierten Mauerwerks. Bei der Dokumentation kamen fotogrammetrisch entzerrte Maueran- und aufsichten, Luftaufnahmen mittels Quadrocopter sowie aus Fotografien generierte 3D-Modelle zum Einsatz.

Nach der Reinigung des Mauerwerks zeigte sich, dass v.a. die Übergangszone zwischen dem antiken und dem 1977 aufgemauerten Teil der Mauerschalen sowie die Mauerkrone stark unter den Witterungseinflüssen gelitten hatten. Die kleineren und grösseren Schadstellen an den Mauerschalen ermöglichten jedoch auch Einblicke in das hervorragend erhaltene antike Gussmauerwerk und die Entnahme von Mörtelproben, u.a. auch im Hinblick auf die Eichung von 14C-datierten Mörtelproben. Bemerkenswert ist, dass im opus caementitium der Südmauer eine deutlich ausgeprägte horizontal verlaufende Fuge beobachtet werden konnte. Dies deutet darauf hin, dass man das aufgehende Mauerwerk offensichtlich nicht in einem Arbeitsgang hochzog, sondern einige Zeit verstreichen liess, damit der Weisskalkmörtel aushärten konnte.

Infotafel 1: Schwaderloch, Oberes Bürkli [PDF (254 KB)]
Infotafel 2: Schwaderloch, Oberes Bürkli [PDF (4.4 MB)]

Pressespiegel

Pressespiegel

In Zusammenarbeit mit der Kantonsarchäologie Aargau bzw. der Kantonsarchäologie Baselland arbeitet die Vindonissa-Professur seit Herbst 2012 an der "mise en valeur" der spätrömischen Wachtürmen und Befestigungsanlagen am Hochrhein.

Bereits abgeschlossen sind die Arbeiten zum spätrömischen Wachturm Muttenz-Au Hard (BL) [PDF (444 KB)]; die neue Informationstafel wurde im 1. Quartal 2014 aufgestellt: Informationstafel [PDF (957 KB)]

Die laufenden Arbeiten umfassen u.a. Archivrecherchen zur Bereinigung und Vervollständigung der Dossiers zu den einzelnen Anlagen sowie das Abfassen von Kurztexten für Informationstafeln für die spätrömischen Anlagen (z.B. Rümikon-Sandgraben, Leuggern-im Sand, Schwaderloch-oberes Bürgli, Schwaderloch-unteres Bürgli, Sulz-Rheinsulz, Wallbach-Stelli, Rheinfelden-Pferrichgraben).

Im Jahr 2014 sollen im Bereich der Wachtürme in Fisibach-Bleiche und Full-Reuenthal-Jüppe zudem geophysikalische Prospektionen durchgeführt werden, da die genauen Standorte der im früheren 20. Jahrhundert untersuchten Anlagen nicht mehr genau bekannt ist. Im Juni und Juli 2014 werden die Kantonsarchäologie Aargau und die Vindonissa-Professur im Vorfeld der geplanten Sanierungs- und Konservierungsarbeiten zudem auch Bauuntersuchungen und kleinere Sondierungen im Bereich der spätrömischen Wachtürme in Koblenz-Kleiner Laufen", Möhlin-Untere Wehren und Möhlin-Fahrgraben sowie in der spätrömischen und frühmittelalterlichen Anlage Möhlin-Riburg-Bürkli durchführen.

Am Projekt sind lic. phil. I Hannes Flück und folgende Studierende beteiligt (Stand Dez. 2013): Andreas Callierotti, Lukas Freitag, Miriam Hauser, Marta Imbach, Corinne Juon, Tina Lander, Sarah Lo Russo, Erik Martin, Daniel Reber, Johann Savary und Stephanie Strobl.

 

Literatur:
W. Drack, Die spätrömische Grenzwehr am Hochrhein. Archäologische Führer der Schweiz 13 (2. überarbeitete Auflage Basel 1993); F. Mayer, Sichere Plätze - Sichtbare Objekte. Archäologie Schweiz 29, 2006, 61-71.